Logistik & Einkauf: Digitales Change Management
Wie digitale Technologien das Beschaffungsmanagement und die Logistik von Krankenhäusern revolutionieren, beleuchtet die Session „Künstliche Intelligenz, Robotik und Smart Cabinets“ am 6. Mai 2025 auf der med.Logistica. Im Mittelpunkt stehen deren konkreter Nutzen, ihre Wirtschaftlichkeit sowie die Implementierung in den Klinikalltag. Die Veranstaltung findet in Kooperation mit dem Beschaffungskongress der Krankenhäuser (BKK) statt und wird von BKK-Kongresspräsident Univ.-Prof. Dr. Dr. Wilfried von Eiff moderiert.
Marktüberblick und Vorzeigeprojekte
„Durch steigende Arbeitskosten, Materialpreise sowie Personal- und Versorgungsengpässe wird die Effizienz der Logistik und Materialwirtschaft in den Krankenhäusern immer wichtiger. Hier haben digitale Technologien wie KI, Smart Cabinets – digitale Versorgungsschränke – und Robotik großes Potenzial“, unterstreicht Prof. von Eiff, Direktor am Center for Health Care Management and Regulation an der HHL Leipzig Graduate School of Management und Leiter des Centrums für Krankenhaus-Management an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Oft fehle es jedoch an wirtschaftlich überzeugenden Vorzeigeprojekten. Hier setze die Session auf der med.Logistica an, sagt von Eiff: „Wir geben einen Marktüberblick und zeigen Effekte der Produkte – unter anderem Prozessbeschleunigung, Kostensenkung und Risikominimierung. Anhand konkreter Beispiele demonstrieren wir, welche Verbesserungen für Klinik, Personal und Patienten möglich sind. So stellen wir ein aktuelles Projekt vor, das Ende 2024 an einer süddeutschen Klinik angelaufen ist.“
KI für die Bedarfsplanung
Während sich in der Medizin KI-Anwendungen und der Einsatz von Robotik längst etabliert hätten – unter anderem in der klinischen Diagnostik oder im Operationssaal – stünden solche Lösungen bei Logistik und Einkauf in Deutschland noch am Anfang, erklärt von Eiff. „In der Schweiz beispielsweise hilft KI bei der Bedarfsplanung und Lageroptimierung. Dabei erweist sich die starke ökonomische Komponente der KI, darunter niedrigere Umläufe und geringere Bestandskosten sowie höhere Qualität der Bedarfsprognosen. Im Einkauf wird KI bei der Ausstattungsplanung von Operationsräumen verwendet und bei der Produktauswahl.“ KI in der Beschaffung habe jedoch nur Sinn, wenn alle Prozesse von Administration, Ordermanagement bis Rechnungsabwicklung durchgängig „Ende-zu-Ende“ digitalisiert seien, sodass fehleranfällige Medienbrüche vermieden werden und Menschen möglichst wenig eingreifen müssten, so Prof. von Eiff. Für die Implementierung von Robotik, die zum Beispiel als Transporthilfe das Personal auf den Stationen oder im Lager entlasten könne, sei wiederum eine angepasste baulich-funktionale Infrastruktur nötig. „Die 1970er-Jahre-Gebäudesubstanz vieler Krankenhäuser ist nicht geeignet. Da sind Umbauten unerlässlich. Optimal sind größere Stationen, breite, lange und stufenfreie Flure.“
Smart Cabinets: Rückgrat für Einkauf und Logistik
Ein weiterer Schwerpunkt der Beschaffungskongress-Session sind Smart Cabinets: „Diese sind vor allem für die reibungslose Versorgung mit Medikamenten und Medizinprodukten gedacht, beispielsweise auch auf OP- oder Intensivstationen“, erläutert Prof. von Eiff. „Sie gewährleisten unter anderem, dass die Medikamente in der richtigen Form vorhanden sind und an die richtigen Patienten gegeben werden. Solche elektronischen Schranksysteme werden künftig zum Rückgrat und zur volldigitalen Informationsdrehscheibe der Einkaufs- und Logistikwelt im Krankenhaus. Sie ersetzen Bestände durch Informationen.“ Das Aufklappen des Schranks und die Entnahme eines Produkts löse einen automatisierten Prozess aus: „Bestandsüberprüfung, Verfallsdatenkontrolle, gegebenenfalls Nachbestellung direkt beim Lieferanten bzw. Logistikdienstleister. Parallel geht eine Information zu den Creditoren, Rechnungen werden automatisch generiert und weitergeleitet. Da muss kein Mensch mehr in Bestellung oder Abrechnung eingreifen“, betont Prof. von Eiff und ergänzt: „Außerdem wird das Controlling automatisch informiert, dass für den jeweiligen Patienten ein Medikament entnommen wurde.“ Ein Vorteil von Smart Cabinets sei, dass sich diese Systeme modular ausbauen ließen und damit finanziell interessant seien.
Gute Informationslage für mehr Patientensicherheit
Eine schlechte Informationslage erfordere bis zu 30 Prozent höhere Lagerbestände, höheren Kontrollaufwand durch Stations- und Versorgungsassistenten und somit höhere Kosten, wie Prof. von Eiff ausführt. Vor allem aber könne der Einsatz von Smart Cabinets Fehlmedikationen vermeiden: „Den ersten elektronischen Versorgungsschrank habe ich 1995 in Baltimore am Johns Hopkins Hospital gesehen. In den USA und auch in anderen Ländern hat man durch den Einsatz solcher Systeme eine signifikante Reduktion an ungeplanten Arzneimittelwirkungen festgestellt, sie haben damit eine deutliche Auswirkung auf die Patientensicherheit. Es wird von einem Rückgang der Rate an ungeplanten Arzneimittelwirkungen von 3,5 auf 0,5 pro 1.000 Patienten berichtet.“ Laut von Eiff sterben in deutschen Krankenhäusern pro Jahr etwa 15.000 Patienten infolge eines Arzneimittelfehlers: „35 Prozent der Fehler im Krankenhaus entstehen durch Fehlmedikation.“
Entlastung für Personal
Smart Cabinets könnten dem überlasteten Fachpersonal zugleich Arbeit abnehmen, so Prof. von Eiff: „Eine von mir und meinem Team durchgeführte Studie hat gezeigt, dass dadurch beim Stellen der Medikation eine deutliche Zeiteinsparung entsteht – denn es wird in bisheriger Form nicht mehr nötig sein. Bisher ist es so, dass das Nachpersonal die Medikation zusammenstellt. In der nächsten Schicht werden die Medikamente dann zu den Patienten gebracht. Dabei entsteht nicht zuletzt ein Handlungsbruch: Man muss sich immer darauf verlassen, dass der andere alles richtig gemacht hat.“ Mit Smart Cabinets sei dies anders: „Wer das Medikament gibt, bereitet es auch vor. Damit entsteht ein Prozess der fallabschließenden Organisation – unterbrechungsfrei und deshalb sicherer.“
Neue Rolle für Einkäufer und Logistiker
„Auf unserer Veranstaltung zeigen wir Chancen und Grenzen innovativer Produkte auf. Wir informieren, für welche Anwendungsbereiche sie sinnvoll sind und für welche nicht sowie welche Voraussetzungen hinsichtlich des Prozessmanagements nötig sind“, kündigt Prof. von Eiff an. „Einkäufer und Logistiker übernehmen in Zukunft immer mehr die Rolle von Change Managern und unterstützen das Krankenhauspersonal dabei, sich in neue Prozesse einzugewöhnen. Das sind ganz neue Aufgaben, auf die sie sich vorbereiten müssen. Dazu möchten wir mit der Session beitragen.“
Hochkarätiges Programm
Nach einer Einführung durch Prof. von Eiff zum Thema „Was Beschaffungsmanager von KI, Robotik und Smart Cabinets erwarten und wo wir wirklich stehen“ stellt René Herzer, Geschäftsführer und Gründer der basebox GmbH, die „Datenschutzkonforme KI im Krankenhaus: Von der Ausschreibung bis zum Rollout“ in den Mittelpunkt.
Über „Durchgehende Digitalisierung in der Materialwirtschaft: Eine Blaupause für eine erfolgreiche Prozess-Digitalisierung durch Hersteller-Krankenhaus-Kooperation“ berichten danach Svetlana Janetzki, Strategischer Einkauf – Geschäftsbereich Einkauf der Paracelsus-Kliniken Deutschland GmbH & Co. KGaA, und Tim Knipps, Projektleitung „Prozessdigitalisierung MaWi“ und Geschäftsführer der COMED – Computerorganisation in der Medizin GmbH.
Um Smart Cabinets geht es im letzten Teil des Programms mit den Referenten Volker Rattmann, Geschäftsführer KEMAS GmbH, Andreas Fastenau, Geschäftsführer texxeo GmbH, und Marco Schäfer, Senior Sales Manager der Omnicell GmbH: „Das ‚Smart Cabinet‘ als Backbone der Digitalisierung im Klinikbetrieb: Von der Wäscheversorgung über Medizinprodukte-Logistik bis zum Medikationsmanagement. Nutzeneffekte, Wirtschaftlichkeit, Sicherheit und Kosten: Verschiedene Technologiekonzepte und Anbieter im direkten Produktvergleich“.
Zum Abschluss findet eine Diskussion mit allen Referenten statt und Prof. von Eiff liefert eine Zusammenfassung mit Handlungsoptionen für Beschaffungsmanager.
Das Podium „Künstliche Intelligenz, Robotik und Smart Cabinets: Wie Einkauf und Logistik-Management, aber auch Patienten und Mitarbeiter wirklich profitieren!“ findet am Dienstag, 6. Mai 2025, von 14.30 Uhr bis 16.00 Uhr, statt. Die Session ist eine Sonderveranstaltung der med.Logistica in Partnerschaft mit dem Beschaffungskongress der Krankenhäuser (Wegweiser Media & Conferences GmbH) sowie dem BKK-Kongresspräsidenten Prof. von Eiff.
